Caro im wilden Gespräch

Grüne Oase in der Stadt. 
Carolin Engwert ist nicht nur Grafikdesignerin, Mama und Ehefrau, sondern führt auch den Blog Hauptstadtgarten. Obwohl sie in Berlin lebt. Sie besitzt nämlich einen eigenen Schrebergarten. Auf ihrem Blog hält sie alle ratsamen Tipps fest, die ihr euch für den Garten, Schrebergarten oder Balkon wünscht. Und das ganz verständlich und zugänglich. Dabei verfolgt sie den Ansatz, komplett nachhaltig zu gärtnern. Mit der Natur, nicht gegen sie. Deshalb dürfen bei ihr auch wilde Kräuter wachsen. Wir haben uns von Caro so einige Tipps geholt… (Lesezeit 6 Minuten).

  

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Was ist Dein Lieblingsmoment im Gartenjahr?

Wirklich schwierig, mich für einen Moment zu entscheiden. Wenn ich zu Beginn des Frühlings das Gartenwasser nach der Winterpause wieder anstelle und sich die Blüten des Apfelbaums schon langsam öffnen, ist das wunderbar und verheißungsvoll. Das erste reife Radieschen im April und die Rosenblüte im Juni gehörten definitiv zu meinen Highlights des Gartenjahres. Wenn ich mich wirklich für eine Sache entscheiden müsste, wären es die ersten reifen Pflaumen. Ich liebe die großen, weichen, süßen Früchte unseres Pflaumenbaumes, die sich maximal von gekauftem Obst unterscheiden. Leider sind sie nur sehr kurz lagerfähig – eine gute Entschuldigung, sie beim Pflücken direkt von der Hand in den Mund wandern zu lassen.

Was war für Dich ein lustiger oder überraschender Moment im ersten Gartenjahr?

Auf jeden Fall, wo überall Pflanzen aufgetaucht sind, die ich niemals erwartet hätte. Wir hatten unseren Garten zum Ende der Saison übernommen, in einem Jahr, in dem es relativ früh den ersten Frost gab, und ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass es dort irgendwann wieder grün wird. Im Frühling wucherte es dann an allen Ecken und Enden. Ein besonders stacheliges „Gestrüpp“ habe ich radikal abgeschnitten und mich sehr gewundert, als es im Sommer hübsch weiß blühte und kurze Zeit später viele leckere Brombeeren an den wenigen verschonten Ruten hingen. Leider hatte ich damit auch die Ernte des nächsten Jahres abgeschnitten, da Brombeeren meist an den Ruten des Vorjahres tragen. Deshalb empfehle ich meinen Lesern auch gerne, im ersten Jahr vor allem sehr viel zu beobachten und Fotos in allen Jahreszeiten zu machen.

Oft werden Schrebergärten mit Spießbürgertum gleichgesetzt.
Wie sind Deine Erfahrungen?

Ich freue mich sehr, dass sich diese Wahrnehmung gerade verändert. Während es vor ein paar Jahren noch eher peinlich war, einen Schrebergarten zu haben, beneiden mich heute viele meiner Bekannten fast um das „grüne Wohnzimmer“ und den knackigen Salat. In vielen Kolonien findet gerade ein großer Generationswandel statt, ich kann aber alle Neuzugänge nur ermutigen, auch den „Alten Hasen“ möglichst ohne Vorurteile zu begegnen. Als „Gartenfreund“ lernt man Menschen kennen, mit denen man sonst vielleicht nie etwas zu tun gehabt hätte, und ich bin oft überrascht, wie viele Gemeinsamkeiten man doch entdecken kann. Wirklich glücklich macht mich, dass der Verband der Gartenfreunde bei wichtigen Themen wie Naturschutz sehr moderne Ansichten hat. Durch mein Buch sind wir in relativ engem Kontakt, und ich freue mich über die Aufbruchstimmung in ein grünes, hoffentlich nachhaltiges Zeitalter. 

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Welchen Mehrwert liefern Schrebergärten dem städtischen Raum?

Grünflächen verbessern das Stadtklima und sorgen u.a. für Abkühlung. Leider ist in deutschen Großstädten ein Großteil der Fläche versiegelt, also durch undurchlässige Materialien abgedichtet. Regen kann dort nicht versickern, gelangt direkt in die Kanalisation und bleibt nicht im Boden gespeichert. Asphalt und Steine heizen sich tagsüber auch stark auf, was die nächtliche Abkühlung der Luft erschwert. Deshalb bilden Schrebergärten wichtige Kälteinseln im städtischen Mikroklima und tragen durch den offenen Boden zur Grundwasser-Neubildung bei. Weiter leisten Kleingartenanlagen auch einen wichtigen Beitrag zu besserer Luft, die in der Stadt stärker mit Schadstoffen und Feinstaub aus Kaminen, Fabrikanlagen und Fahrzeugen belastet ist als auf dem Land. Bäume, Hecken und andere Gartenpflanzen können die Stadtluft wesentlich verbessern, da sie CO², Stickoxide und Feinstaub binden. Weiter tragen natürlich gestaltete Gärten zur Erhaltung der Artenvielfalt von Flora und Fauna bei. Wenn man beim Spaziergang durch eine Kleingartenanlage dem Vogelkonzert lauscht, ahnt man das meist recht schnell. Immer mehr Kolonien öffnen sich auch gegenüber der Nachbarschaft und bieten z.B. Teilflächen zum gemeinschaftlichen Gärtnern an, was dann auch für die Anwohner einen schönen grünen Erholungseffekt hat.

Du machst in der Gartenpflege verschiedene Dinge anders. Was und warum?

Als wir unseren Garten übernommen haben, gab es dort so gut wie keine Wildpflanzen. Manchmal frage ich mich, ob meine Vorpächter den ganzen Sommer gebückt durch den Garten gerobbt sind und Unkraut gezupft haben oder ob sie dafür irgendwas Schlimmes ausgekippt haben. Zumindest steigt seit einigen Jahren die Artenvielfalt in meinem Garten deutlich. Besonders in meiner „wilden Ecke“, die ich mehr oder weniger sich selbst überlasse. Im Frühling mähe ich sie einmal, sonst greife ich aber nicht weiter ein und ich bin schon immer ganz gespannt, was während der Saison so wächst. Einige Kräuter wie Pimpinelle, Wilde Möhre und Beinwell kommen jedes Jahr wieder, dieses Jahr sind aber z.B. sehr viele Margeriten aufgetaucht. Im März habe ich mitten im Rasen ein selbst ausgesätes Radieschen entdeckt, was ich sehr lustig fand, da ich sie sonst extra im Frühbeet kultiviere, um ihnen einen guten Start zu ermöglichen. In meinen Gemüse und Staudenbeeten jäte ich im Frühling und im Herbst unerwünschte Pflanzen einmal gründlich, damit meine Kulturpflanzen nicht zu sehr in Bedrängnis geraten, wobei ich manche „unbeauftragte Pflanze“ auch einfach an eine andere Stellen umpflanze.  

 

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Wir interessieren uns natürlich vor allem für die wilden Kräuter. Was steht momentan in Deinem Garten und wie verarbeitest Du es am liebsten? 

In meinem Garten wachsen ganz unterschiedliche wilde Pflanzen: Taub- und Brennnesseln, Wegwarte, Spitzwegerich, Wilde Möhre, Schafgarbe, Rainfarn, Pimpinelle – um nur einige zu nennen. Wenn ich etwas nicht erkenne, nutze ich sehr gerne die App Flora Incognita um herauszufinden, wer der neue Gartenbewohner wohl ist. Hier ein Tipp für (noch) gartenlose Menschen, die sich für die Pflanzen im urbanen Raum interessieren: Rund um Flora Incognita und das Magazin „Naturschutz und Landschaftsplanung“ gibt es ein schönes Mitmach-Projekt. Bei „Krautschau“ einfach Pflanzen am Wegesrand mit der App bestimmen, wenn möglich mit Kreide den Namen dazu schreiben und unter dem Hashtag #krautschau auf Instagram posten. Es soll dazu dienen, Menschen für die Vielfalt von Pflanzen zu begeistern und dadurch das „Unkraut“ etwas aus der Schmuddelecke zu holen. Mit dem Ernten und Verarbeiten meiner Kulturpflanzen bin ich im Garten allerdings schon so ausgelastet, dass ich viele der Wildpflanzen einfach sich selbst und den Tieren überlasse. Ich freue mich aber über Ideen zur Verarbeitung und wie ihr wisst, bin ich ja großer Fan Eurer Oxymels...

Wir haben leider nur einen Balkon. Wie können wir uns trotzdem ein wenig Wildnis dorthin holen?

Wildpflanzen schaffen es meist nicht von selbst auf den Balkon, allerdings gibt es mittlerweile wirklich tolles Saatgut für verschiedene regionale Wildblumen und Kräuter. Achtet bei der Auswahl möglichst auf regionale Arten, da die meisten Wildbienen und Insekten auf bestimmte Wirtspflanzen angewiesen sind und sie von gebietsfremden Pflanzen teilweise nur wenig profitieren. Ich gucke meist zuerst bei meinen Freunden von Magic Garden Seeds, die von Wilder Karde über Mariendisteln und Johanniskraut bis zu Quendel wirklich fast alles im Angebot haben. Eine kleine Pflanze könnt Ihr Euch auch irgendwo am Straßenrand ausgraben und in einen Balkonkasten pflanzen, macht Euch aber bitte klar, dass dies einen Eingriff ins Ökosystem darstellt, den man nur behutsam und gut überlegt anstellen sollte. 

Was erdet Dich?

Alle Formen der Gartenarbeit – sowohl Grobes wie Kompost umsetzen, aber auch Tätigkeiten, für die man Fingerspitzengefühl braucht, wie das Pikieren von jungen Setzlingen. Eigentlich neige ich dazu, immer drei Sachen parallel zu machen, davon werde ich aber so absorbiert, dass ich nebenbei maximal noch etwas meinen Gedanken nachhänge. Nach einem Tag Kompost sieben, verteilen und neu aufschichten bin ich meist dreckig, körperlich geschafft und sehr vergnügt. Wirklich ein guter Ausgleich zu meinem sonst schnell getakteten digitalen Alltag. Da ich glücklicherweise vier Kompostmieten im Garten habe und seit einigen Jahren mit der Herstellung von Terra Preta (Anm.: schwarze fruchtbare Erde) experimentiere, um die Speicherfähigkeit unseres mageren Gartenbodens zu erhöhen, gibt es hier immer was zu tun – mit dem netten Nebeneffekt, dass ich nur sehr selten Erde zukaufen muss.

Ein paar Worte zu Abenteuer Garten

Der schönste Moment in den letzten Jahren war für mich wahrscheinlich, als ich Anfang 2018 eine e-Mail des KOSMOS-Verlages bekommen habe, ob ich Lust hätte, mit ihnen einen Schrebergarten-Ratgeber für Anfänger zu machen. Genau das Buch, das ich am Anfang selbst gerne gelesen hätte, das es in der Form aber einfach noch nicht gab. Dass ich jetzt so viele Menschen bei ihrem Start ins grüne Abenteuer begleiten darf, ist ein wirklich wunderbares Gefühl.

Caros wilder Steckbrief

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Mein Lieblingskraut
Die imposante Königskerze. Eigentlich mag ich gelbe Blüten nicht besonders gerne, aber die Pflanze beeindruckt mich so, dass ich sie gerne stehen lasse und mich am bunten Treiben der Bienen und Hummeln erfreue.
Tipp gegen Schnecken
Am besten frühmorgens gießen, damit die Erde bis zum Abend wieder abtrocknet. Wenn Ihr erst nachmittags bewässert, bereitet Ihr den nachtaktiven Schnecken dadurch womöglich eine „glatte Rutschbahn“ im Beet.
Beste Kräuterbibel

Am schönsten fände ich ja, wenn Ihr zu dem Thema ein Buch machen würdet.

Lieblingsmonat
Juni
Eine Weisheit, die nie verloren gehen darf
Ich würde lieber an einer althergebrachten Überzeugung rütteln: Den sprichwörtlichen „grünen Daumen“ gibt es aus meiner Sicht nicht, denn mit etwas Geduld und Spaß kann jede/r gärtnern.


Liebe Caro, vielen Dank für das schöne Interview. Uns von kruut liegt besonders ihr Buch rund um den Schrebergarten “Abenteuer Garten” am Herzen. Hier findet ihr gebündelt alle Informationen, die ihr braucht, wenn ihr in euer Gartenabenteuer startet oder schon länger im Grünen werkelt.

Auf Caros Blog findet ihr nicht nur informative Artikel, sondern auch Rezepte, DIYs, ein Gartentagebuch und wildes Bio-Saatgut. Und wenn ihr mitverfolgen wollt, was im Jahreszyklus alles in ihrem Garten so passiert, folgt ihr auf Instagram

Eine Empfehlung von Herzen!
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